Mischfrankaturen 1882 - 1883

Wechseln zu: Navigation, Suche

Einleitung[Bearbeiten]

Der vorliegende Aufsatz hat zum Ziel, die Mischfrankaturen «Sitzende Helvetia gezähnt» mit «Kreuz und Wertziffer» (Abb. 1), «Sitzende Helvetia gezähnt» mit «Stehende Helvetia» (Abb.2) sowie die Kombinationen aller drei Ausgaben (Abb. 3 und farbiges Titelbild) näher zu erforschen. Noch in der XIX. Auflage von 1968 des Zumstein Spezialkataloges waren solche Frankaturen etwas lapidar mit Zuschlägen von 25 bis 100 Prozent auf die geltenden Briefpreise bewertet. Durch die erstmals in der Ausgabe von 1971 desselben Kataloges erschienene Tabelle mit zum Teil überraschend hohen Netto-Zuschlagpreisen wurde auch einem breiteren Sammlerkreis klar, dass viele dieser - bisher wegen des oft geringen Wertes der einzelnen Marken - wenig beachteten Belege offenbar zu echten Raritäten avanciert waren. Im Jahre 1975 konnte diese Liste um einige Positionen erweitert werden, und in der neuesten Auflage des «Spezial» sind schon über 100 verschiedene Kombinationen festgehalten. Anlass zu dieser Untersuchung gab zuerst die oben erwähnte bescheidene Bewertung, die sich mit dem kleinen Angebot solcher Briefe kaum vereinbaren liess und dann wiederum der darauffolgende «Preissprung» mit Spitzennotierungen von einigen Tausend Franken, von denen einige - wohl mangels genügender Unterlagen - scheinbar etwas empirisch eingesetzt worden waren. Die Registrierung dieser Mischfrankaturen begann vor neun Jahren. Als «Sprungbrett» diente ein in der «Berner Briefmarken Zeitung» im Jahre 1939 erschienener Artikel, der eine schon sehr beachtliche Liste von rund 75 derartigen Belegen aufführte, die sich auf knapp 50 verschiedene Kombinationen verteilten. In der Folge wurden die erreichbaren Informationen gesammelt: Ausstellungen, Auktionskataloge und Verkaufsangebote aller Art, Aufrufe in der «BBZ» und «SBZ» sowie Anfragen bei Sammlern im In- und Ausland lieferten die Daten für eine Kartei, die bis heute 301 Belege (davon 50 Briefstücke) mit über 100 unterschiedlichen Kombinationen erfasst. Die Anzahl vorhandener Angaben, die in letzter Zeit naturgemäss immer spärlicher eingingen, unterliegt selbstverständlich künftigen Korrekturen; vieles schlummert noch unentdeckt oder wurde nicht gemeldet. Immerhin konnten anhand des vorliegenden Materials verschiedene Schlüsse gezogen werden, welche die ehemalige Katalogisierung doch um einiges erweitert und - hoffentlich - in bezug auf die Preisrelationen auch verbessert haben.


Seltenheit[Bearbeiten]

Generell darf festgestellt werden, dass die früher an anderer Stelle geäusserte Vermutung, wonach die Mischfrankaturen von 1882/83 seltener sind als jene von 1862/ 63 («Sitzende Helvetia gezähnt» mit «Strubeli»), aufrecht erhalten werden kann. Eine für später vorgesehene Untersuchung über diese früheren Frankaturen soll diese Annahme anhand von Zahlenmaterial erhärten. Was die Häufigkeit der drei Hauptgruppen angeht, so ergeben sich folgende Zahlen:

Ausgaben             Anzahl Belege
                      Briefe  Frgmente     Total    %
SH + Ziffer             209       40         249    83
SH + Stehende            32       10          42    14
SH + Ziffer + Stehende    9        1          10     3
Total                   250       51         301   100

Daraus folgt ohne weiteres die Seltenheit der Frankaturen «Sitzende Helvetia» mit «Stehende Helvetia» und vor allem jene der Belege mit allen drei Ausgaben zusammen. Was das Vorkommen der einzelnen Frankatur-Kombinationen betrifft, wird einmal auf die nachfolgende Tabelle verwiesen, die dem neuen «Zumstein Spezial» entnommen wurde: alle mit Preisen versehenen Felder bedeuten, dass mindestens 1 Beleg (El oder W) bekannt ist, wobei betont werden muss, dass von den 127 notierten verschiedenen Kombinationen deren 23 nur in Verbindung mit einer oder mehreren weiteren Wertstufen vorliegen. Diese werden oft daraus ersichtlich, dass sie ohne zusätzliche Wertstufen ein «unmögliches» Porto darstellen würden. So ergibt zum Beispiel der Beleg Nr.39 + 59 nur in Verbindung mit einer anderen Marke eine «logische» Frankatur; hier handelt es sich um eine Ergänzung durch die Nr. 58. Weiter gibt diese Tabelle einen gewissen Aufschluss über das Vorkommen der einzelnen Werte in Mischfrankaturen. Allerdings darf man hierbei nicht nur die Anzahl der Preisnotierungen für eine bestimmte Marke als Massstab nehmen, ohne auch die Häufigkeit einer Frankatur zu berücksichtigen. So verteilen sich beispielsweise die zwölf Preisangaben für Kombinationen mit der Nr. 29 auf 21 Belege (davon 2/3 auf die Frankaturen Nr. 29+53 und 29+58), während sich die zehn Preisnotierungen für die Nr. 44 auf 46 Belege mit dieser Marke beziehen (davon 21 auf die Kombination Nr. 44+55 und 16 auf jene der Nr. 44+61). Als «Spitzenreiter» bei der Ausgabe «Sitzende Helvetia» kann man die Nr. 29, 32, 44, 45, 46 und 48 bezeichnen; bei den Ausgaben von 1882 sind es ganz augenfällig die Nr. 54,55, 58,61 und 66. Umgekehrt sind die Nr. 28 und 43, bzw. 56,57,63 und 71 nur je ein- bis dreimal zu Mischfrankaturen verwendet worden.


Frankatur-Kategorien[Bearbeiten]

Grundsätzlich darf festgehalten werden, dass es sich bei den Mischfrankaturen von 1882/83 mit ganz wenigen Ausnahmen um reine «Zufalls-» oder «Behelfsfrankaturen » handelt, die durch den Aufbrauch von Werten der «alten» Ausgaben zusammen mit den neuerschienenen Marken entstanden sind. Dies wird ersichtlich, wenn man einen Blick auf die prozentuale Verteilung der Belege (nur Briefe) auf die einzelnen Tarif-Kategorien wirft, die wie folgt aussieht:

1) Nachnahmen                            53 %
2) Charge                                21 %
3) Inlandbriefe                           8 %
4) Auslandbriefe                          8 %
5) Diverse (Wertsendungen, Pakete, etc.) 10 %

Diese Postsendungen der beiden ersten Gruppen (fast 3/4 aller Belege) wurden wohl meistens am Postschalter frankiert oder zumindest durch Firmen aufgegeben, was den Verdacht auf philatelistische Spielereien weitgehend ausschliesst.

An der Spitze der Nachnahmen liegen die 12 Rp. und 15 Rp. Mischfrankaturen (67 und 41 Stück), von denen - nur unter Berücksichtigung der Kombinationen 10 + 2 Rp. und 10 + 5 Rp. - durch die Papierunterschiede je acht Varianten möglich sind. Demgegenüber ist ein Nachnahmeporto von 22 Rp., das auch als «normale» Frankatur schon nicht mehr ganz alltäglich ist, als Mischfrankatur eine Rarität (Nr. 32 + 58). Bei den Charge-Sendungen sind es naturgemäss die 30 Rp. und 25 Rp. Inlandfrankaturen, welche - bedingt durch den damals gültigen Charge-Zuschlag von 20 Rp. - am häufigsten auftreten. In diesem Zusammenhang mag von Interesse sein, dass sich gewisse Orte bezüglich der «Herstellung» solcher Frankaturen ganz besonders hervorgetan haben. Von Bülach sind beispielsweise sieben Belege der Nr. 44 + 55 bekannt; dazu kommen noch vier andere 12 Rp. Frankaturen. Der Posthalter von Altishofen wiederum hat einen ausserordentlich «fruchtbaren» Tag aufzuweisen: Vier von fünf bekannten Charge-Briefe der Nr. 40 + 54 stammen aus Altishofen; sie sind alle am 11. Juli 1882 abgestempelt und an verschiedene Orte im Kanton Luzern adressiert. Zürich, Schlieren, Baden, Luzern, Sursee, Cernier, Bellinzona sind nur einige weitere Beispiele für Postbureaux, in denen während einiger Zeit Marken der verschiedenen Ausgaben zusammen Verwendung fanden.


Zeitliche Verteilung[Bearbeiten]

Wie vielfach bekannt, waren diese Mischfrankaturen vom 1. April 1882 bis Ende September 1883 möglich. Die grosse Masse der bekannten Belege (!x3 und f) verteilt sich auf die Monate April bis Juli 1882 (71 Prozent), mit dem Monat Mai als Rekordhalter (68 Stücke). Für die ganze Periode Januar bis September 1883 sind dafür nur noch ganze 22 Stück zu verzeichnen. Als Extreme können folgende Beispiele angeführt werden: ein «Ersttagsbrief » (Nachnahme) vom 1. April 1882 mit Nr. 47 (2 Stück) + 62 aus Bern sowie - als Kuriosum - ein Brief mit Nr. 45 + 60, welcher am 5. Dezember 1883, also über zwei Monate nach der Ausserkurssetzung der «Sitzenden Helvetia », in Le Locle und Langnau ungeahndet durchgeschlüpft ist.


Örtliche Verteilung[Bearbeiten]

Die Durchsicht der vorhandenen Unterlagen (Briefe und Fragmente) nach Herkunfts-Kantonen ergibt für den einen oder anderen Philatelisten (Heimatsammler?) ein möglicherweise etwas unerwartetes Bild: Der Grossteil der Mischfrankaturen (59 Prozent) kommt aus den vier Kantonen Luzern (23 Prozent), Zürich (17 Prozent), Bern (11 Prozent) und Aargau (8 Prozent). Wie oben bemerkt, konzentrieren sich diese Zahlen innerhalb der Kantone oft nur auf einige wenige Orte. Nebst einem breiten «Mittelfeld » sind die Kantone AI, AR, ZG, NW, GL, FR und GR mit nur je ein bis drei Belegen schwach vertreten; aus Uri und Obwalden finden sich in unserer Kartei vorläufig noch gar keine solchen Frankaturen.


Preise[Bearbeiten]

Bei der für Spezialitäten ohnehin oft problematischen Preisgestaltung galt es, eine ganze Anzahl Aspekte mit einzubeziehen - es konnte nicht ausschliesslich auf die Anzahl, beziehungsweise Seltenheit der bekannten Frankaturen abgestellt werden. Ganz abgesehen davon, dass sich die Nachfrage nach solchen Exemplaren auf einen verhältnismässig kleinen Kreis von Sammlern beschränkt, musste davon ausgegangen werden, dass sich nebst einigen fortgeschrittenen Schweiz Generalsammlern nicht nur die Liebhaber der «Sitzenden Helvetia», sondern auch jene der Ausgaben «Kreuz und Wertziffer» sowie «Stehende Helvetia» für solche Belege interessieren. Es war also zu verhindern, den Wert der einzelnen Kombinationen nur durch die «Brille» des einen Spezialgebietes zu ermitteln: so wurde zum Beispiel die Frankatur Nr. 45 + 63 (zwei Belege) mit dem Maximalpreis bewertet, obwohl die Nr. 45 sehr häufig zu Mischfrankaturen verwendet wurde; die Tatsache aber, dass die Nr. 63 im ganzen nur dreimal so benützt wurde, hatte hier einen grossen Einfluss auf die Notierung. Ferner wurden - ganz abgesehen von der Qualität - die «attraktiven» oder «ungewöhnlichen» Kombinationen bei gleicher Seltenheit im Vergleich zu «gewöhnlichen» höher bewertet: die 15 Rp. Kombinationen N r.30 + 55 und Nr.30 + 61 - obschon nur je einmal bekannt - wurden niedriger eingesetzt als zum Beispiel die Nr.42 + 54, eine beliebte, mehrmals bekannte 45 Rp. Frankatur. Der Hinweis, dass - wie schon oben gesagt - durch die Papierunterschiede eine 12 Rp. Frankatur (10 und 2 Rp.) aus den Nr. 37, 38, 44, 46, resp. 53, 55, 58 und 61 auf acht verschiedene Arten dargestellt werden konnte möge dies noch unterstreichen: die Kombination Nr.38 + 58, obwohl nur einmal bekannt, würde nur schwerlich ihren «wahren» Preis erzielen; sie bleibt eben für manche Sammler doch «nur» eine 12 Rp Frankatur. Umgekehrt würde die Kombination Nr. 51 + 66 (7 Belege) möglicherweise deutlich über der Katalognotierung gehandelt. An dieser Stelle muss ganz ausdrücklich festgestellt werden, dass es sich bei diesen Preisen um Zuschläge auf die Briefnotierungen handelt; der innere Wert der einzelnen Marken wird daher in vielen Fällen für einen gewissen Ausgleich sorgen. Beispiel: Nr.29 + 53 und Nr.29 + 58 sind praktisch gleich häufig; durch den Wert der Nr. 53 auf Brief wird sich aber der Preis für die erste Kombination mit Sicherheit deutlich abheben. Weiter wird darauf hingewiesen, dass für die Kombinationen der «Sitzenden» mit «Ziffern» ein Preisrahmen von Fr. 600 bis Fr. 3000 und für jene der «Sitzenden» mit «Stehenden» ein solcher von Fr. 2000 bis Fr. 4000 festgelegt wurde, mehr oder weniger in Anlehnung an die Notierungen in früheren Spezialkatalogen.


Zur Bewertung von Frankaturen mit mehreren Wertstufen mögen die Anmerkungen am FUSS der Preistabelle dienen. Allerdings wird man dieses Schema nicht in allen Fällen anwenden können, sind doch Belege mit vier, fünf und mehr verschiedenen Werten bekannt. Hier, wie auch bei den Kombinationen aller drei Ausgaben, lassen wir es bei dem unverbindlicheren «LP» (Liebhaberpreis) bewenden. Während für Briefstücke (ff) mit abnehmender Grosse und Seltenheit grössere Abzüge am Platz sind, wurde auf eine tiefere Bewertung von Mischfrankaturen auf Formularen aller Art verzichtet; diese sind aus jenen Jahren doch nicht so häufig, dass im Zuge zunehmender Nachfrage nach postalischen Dokumenten eine solche «Diskriminierung » nach wie vor angebracht erschien. Ein Wort noch zu den «Abstempelungen» auf Mischfrankaturen: sie sind mit nur knapp vier Prozent aller registrierten Belege als sehr selten zu bezeichnen. Die meisten davon gehören zu den Stempelgruppen 43 und 138. Obwohl die Preisnotierungen da und dort sicher Anlass zu Diskussionen geben werden und die Qualität einer Frankatur auf die Preisbildung nach wie vor den vielleicht grössten Einfluss hat, hoffen wir, dem interessierten Sammler einige brauchbare Hinweise zur Bewertung der Mischfrankaturen von 1882 bis 1883 gegeben zu haben.


Referenzen[Bearbeiten]