Postkarte

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Einleitung

Die Postkarte ist eine Ganzsache, abkĂŒrzung GS, es ist eine Beleg mit eingedrucktem Wertzeichen, zB. Postkarte, Streifband, TĂŒblibrief, etc. Jede Sammlung gewinnt durch Hinzunahme einiger Ganzsachen. Sie sind amtl. Postwertzeichen wie Briefmarken und gehören, wenn verausgabt, zu einer kompletten Sammlung dazu.


Definition und Entwicklung

Die nachfolgenden ErlĂ€uterungen zu Postkarten verstehen sich ĂŒbernational und können daher nicht alle lĂ€nderspezifischen Unterschiede im Detail wiedergeben. Der Leser sollte dazu auf die einschlĂ€gige lokale Literatur und Kataloge zurĂŒckgreifen. „Karte“ ist der Oberbegriff fĂŒr eine ganze Anzahl Bezeichnungen, die jeweils einen besonderen Aspekt von postalisch beförderten Karten hervorheben (siehe unter Arten von Karten).

Es kommt vielfach zu MissverstĂ€ndnissen beim sprachlichen Gebrauch des Wortes Postkarte. Klare semantische Unterschiede gibt es in der deutschen Sprache kaum. Im Englischen heisst eine Karte „Postcard“ und eine Postkarte „Postal card“. Hierbei ist das Wort „Post“ immer dabei. In dieser Abhandlung wollen wir einen klaren Unterschied zwischen nicht-postalischen Karten und von der Post verausgabten Karten verwenden, um hoffentlich ein fĂŒr alle Mal vorhandene MissverstĂ€ndnisse auszurĂ€umen. Die untenstehende Skizze ist ein Versuch zur Dokumentation der Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Das linke Oval deckt alle Arten von Karten ab und das rechte Oval alle Arten von Ganzsachen BriefumschlĂ€ge, StreifbĂ€nder, Postkarten, Empfangsscheine, usw.). Die KreisĂŒberlappung beinhaltet ausschliesslich Postkarten; nur diese fallen in beide Bereiche. Zur Erinnerung: Ganzsachen sind mittels Wertstempelaufdruck vorfrankiert.

Bei Postkarten sprechen wir von Karten, welche mit einem Wertstempel 
bedruckt wurden, sei es direkt durch die Post, sei es durch die Post 
auf besonderen Wunsch von Privatpersonen oder Firmen (sog. Privatpostkarten).

Philatelisten und Philokartisten sammeln Karten mit unterschiedlicher Motivation. Philokartisten suchen vor allem Ansichtskarten und illustrierte Karten zu nicht philatelistischen Dokumentationszwecken, wÀhrend Philatelisten Ausschau halten nach Postkarten sowie Briefmarken und Abstempelungen auf Karten.

Postkarten.JPG

Karten werden durch private Firmen, Papeterien, Organisationen oder Personen den Druckereien in Auftrag gegeben und anschliessend verkauft. Postkarten hingegen sind durch einen Wertstempelaufdruck vorfrankiert und werden in der Regel durch die Post in Auftrag gegeben und vertrieben. Dazu zÀhlen auch die Privatpostkarten, welche von Firmen und Privaten der Post in Auftrag gegeben werden, und von dieser mit dem Wertstempel gegen Vorauszahlung bedruckt werden.


Format, Sinn und Zweck der Karte

Eine Karte besteht aus einem rechteckigen StĂŒck dickem Papier oder dĂŒnnem Karton (Ausnahmen sind besonders geformte Karten). Die Abmessungen einer Karte sind verschieden nach Ausgabeland oder Zeitraum oder beidem; die letztlich meistverwendete Dimension entspricht dem DIN-A6-Format, also 148 x 105 mm. Im internationalen Verkehr sind heute eine LĂ€nge von 140 bis 235 mm, eine Breite von 90 bis 125 mm und ein FlĂ€chengewicht von 150 bis 500 g/mÂČ zugelassen. Eine Karte erlaubt kurze schriftliche Korrespondenzen ohne die MĂŒhe des Einpackens in BriefumschlĂ€ge und bei Postkarten, ohne eine Briefmarke aufzukleben. Die Anschrift muss in das dazu vorgesehene Leerfeld eingetragen werden. Ein weiterer Vorteil der Postkarte war der verbilligte Tarif. In der Schweiz halbierte sich das Porto gegenĂŒber einem Brief und in Österreich gar auf 40%. Zu Beginn war in den deutschen Gebieten der Portosatz identisch mit dem Briefporto, bis im Juli 1872 das Porto gegenĂŒber dem Briefporto halbiert wurde.


Entwicklung der Vorder- und RĂŒckseite

UrsprĂŒnglich diente die Vorderseite der Postkarte zum Anbringen von Name und Adresse des EmpfĂ€ngers sowie dem Tarif entsprechende Briefmarken und bei Ganzsachen des vorgedruckten Wertstempels. Auf der RĂŒckseite wurde die Korrespondenz geschrieben und eventuelle Illustrationen angebracht. Schon bald wurden Karten zum Verkauf angeboten mit vorgedruckten Bildern und Illustrationen. Durch den KartenfĂŒllenden Druck der Bilder auf der RĂŒckseite war kaum noch Platz vorhanden fĂŒr handschriftliche Mitteilungen. Das fĂŒhrte zur Aufteilung der Vorderseite der Karte in den Adressteil auf der rechten Seite und den Mitteilungsteil auf der linken Seite. Grossbritannien begann damit im Jahre 1902, worauf andere LĂ€nder folgten: Frankreich im Jahre 1904, Deutschland in 1905 fĂŒr Ansichtskarten und 1907 fĂŒr nicht illustrierte Karten, die Schweiz und die Vereinigten Staaten von Amerika in 1907. Bei Postkarten diente der linke Teil fĂŒr die Absenderadresse und der Wertstempel wurde in der rechten, oberen Ecke aufgedruckt; dieselbe Stelle war bei kommerziellen Karten fĂŒr das Aufkleben von Briefmarken vorgesehen. Bei Postkarten wurde der linke Teil schon bald mit privaten Zudrucken versehen: Bilder, Reklame, Firmenlogos mit Absender, usw. In einigen LĂ€ndern ermunterten die Fremdenverkehrsvereine die Post zum Aufdruck von Stadtbildern und Landschaften als Werbung fĂŒr den Fremdenverkehr. Zur Realisierung dieser WĂŒnsche wurden die sogenannten Bildpostkarten eingefĂŒhrt (Ganzsachen). Die Bilder wurden in der Regel auf der linken, oberen HĂ€lfte der Postkarte eingedruckt.


Arten von Karten

Wie bereits eingangs erwĂ€hnt, unterscheiden wir prinzipiell zwischen Postkarten mit Wertstempelaufdruck und allen anderen Karten, ohne vorgedruckte Frankierung. Die folgende Liste gibt einen Überblick innerhalb der beiden Kategorien von Karten, ist aber beileibe nicht komplett.

Karten ohne vorgedruckte Frankierung = kommerzielle Karten (alphabetisch)
Ansichtskarte (Bildkarte)
Aviskarte
Drucksachenkarte
GlĂŒckwunschkarte
GĂŒteraviskarte
Humoristische Karte
Kaleidoskopkarte
Kunstkarte
Lederkarte
Lied-Karte
Lithographiekarte
Propagandakarte
Realphotographische Bildkarte
Reale Karte aus dem Internet
Postkarten mit Wertstempelaufdruck = Ganzsachen (alphabetisch)
Antwortpostkarte
Bildpostkarte
Dienstpostkarte
Doppelpostkarte
Einfache Postkarte
Gedenk-Postkarte
GezÀhnte Postkarte
GĂŒteravis-Postkarte
JubilÀumspostkarte
Korrespondenzkarte
Privat-Postkarte 
Rohrpostkarte
Weltpostkarte
Werbe-Postkarte


Historisches

Bereits ein Jahrhundert vor der EinfĂŒhrung der Postkarte wurden „offene Formulare“ durch private Postunternehmen versandt. Im Jahre 1760 fĂŒhrte das private Stadtpost-unternehmen Petite Poste (Kleine Post) in Paris offen lesbare Mitteilungen ein. 1784 fĂŒhrte die privat betriebene Kleine Post in Wien Karten mit offen versandten Mitteilungen ein. In beiden FĂ€llen sind jedoch keine Exemplare erhalten geblieben. Die erste bekannte Bildkarte ist von Hand gezeichnet und im Jahre 1840 von London an den Verfasser Theodore Hook adressiert. Sie ist mit einer „penny black“ frankiert. Am 27. Februar 1861 wurde in den Vereinigten Staaten ein Gesetz vom Kongress ver-abschiedet, das erlaubte, privat gedruckte Karten, bei einem Gewicht von unter einer Unze (28,35 gr), mit der Post zu verschicken. Das ist die erste staatliche Genehmigung zur Verwendung von Karten. Bis 1500 Meilen betrug das Porto einen Cent und darĂŒber 2 Cent. Am 17. Dezember 1861 nutzte John P. Charlton aus Philadelphia das neue U.S.-Kartengesetz und ließ sich die Karte urheberrechtlich schĂŒtzen. Er verkaufte seine Idee an Hyman L. Lipman, ebenfalls aus Philadelphia, der dann Karten mit der Kennzeichnung „Lipman’s Postal Card“ produzierte. Die Erfindung wurde durch Lipman auch als Patent angemeldet, welches aber letztlich nicht zugelassen wurde.

Die Idee der Postkarte wurde auf dem im Oktober 1865 zu Karlsruhe tagenden 5. Deutschen Postkongress an die Öffentlichkeit gebracht. Es legte nĂ€mlich der amtierende StaatssekretĂ€r im kaiserlich deutschen Reichspostamt, Dr. Heinrich von Stephan, der Konferenz eine Denkschrift vor, in welcher er die EinfĂŒhrung der Postkarte in Anregung bringt und die ganze AusfĂŒhrung des Systems eingehend erörtert. Der Vorschlag des Dr. Heinrich von Stephan interessierte zwar die Konferenz in hohem Grade, angenommen wurde er aber doch nicht. Der volle Wortlaut dieser Denkschrift wird im Anhang wiedergegeben.

Der Erfinder der Post-karte ist der deutsche Dr. Heinrich von Stephan, 
welcher das ganze System im Jahre 1865 beschrieb. EingefĂŒhrt wurde die 
Postkarte jedoch zuerst in Österreich im Jahre 1869.

Nur der Vertreter Österreich-Ungarns, Sektionsrat Kolbensteiner, der damalige General-Post-und Telegraphendirektor, fasste diesen Gedanken in WĂŒrdigung von dessen grosser Wichtigkeit auf und suchte darauf hinzuwirken, denselben in Österreich zur Aus-fĂŒhrung kommen zu lassen. Es bedurfte dann nur noch eines erneuten Anstosses von Dr. Emanuel Herrmann, Professors an der MilitĂ€rakademie in Wien um die Post zur Ein-fĂŒhrung zu bewegen. Dann war es soweit, die österreichische Postverwaltung fĂŒhrte am 1. Oktober 1869 eine "Correspondenz-Karte" ein, die auf einer Seite das An-schriftenfeld und eine aufgedruckte Briefmarke enthielt, wĂ€hrend die andere Seite fĂŒr Mit-teilungen zur VerfĂŒgung stand. In Ungarn erschien gleichzeitig eine fast völlig gleich aussehende „Correspondenzkarte“ wie in Österreich, nur mit dem Unterschied eines ungarischen Wappens statt eines Doppeladlers. Diese Neuheit war von Anfang an ein Erfolg. Nun zog die Postverwaltung des Nord-deutschen Bundes nach. Am 6. Juni 1870 unterzeichnete Bismarck die "Verordnung betr. die EinfĂŒhrung der Correspondenzkarte", die dann am 1. Juli 1870 in Kraft trat. Es handelte sich zunĂ€chst jedoch nur um Postkartenformulare (sog. FormblĂ€tter). Eine eigentliche Postkarte (mit eingedrucktem Wertstempel) wurde in Deutschland erst ab 1.1.1873 herausgegeben. Die Verordnung hielt sich in der Form weitgehend an die Vor-gaben der österreichischen VorlĂ€uferin: eine Seite fĂŒr die Adresse, die andere fĂŒr Mit-teilungen. Das Porto betrug ein Groschen oder drei Kreuzer. FĂŒr die Stadtpost gab es eine verbilligte GebĂŒhr. Die Karte selbst kostete nichts. Die deutsche Postkarte war ge-boren. Im deutsch-französischen Krieg von 1870 - 71 wurden Hunderttausende von Karten verschickt. Ab 1. Juli 1872 wurden dann auch privat gedruckte Kartenformulare zugelassen, auf die Briefmarken geklebt werden mussten. In Frankreich wurden Karten zum ersten Mal im Jahre 1870, anlĂ€sslich der Belagerung Strassburgs durch die preussische Armee, in Umlauf gebracht. Dann, wĂ€hrend der Be-lagerung von Paris fabrizierte die Postsektion der Hauptstadt die sogenannten „cartes-poste“, welche als offene Sendung per Ballon verwendet wurden („par ballon montĂ©â€œ). Die Adresse des EmpfĂ€ngers wurde auf einer Seite notiert und die Korrespondenz auf der anderen. Am 20. Dezember 1872 wurde auf Antrag des Abgeordneten Louis Wolowski das Finanzgesetz fĂŒr die EinfĂŒhrung der Postkarte verabschiedet. Postkarten konnten dann ab 15. Januar 1873 in Frankreich verwendet werden.

Hier die Liste von anderen Staaten, welche Deutschland folgten, 
jedoch mit Postkarten mit eingedrucktem Wertstempel:

1870 Schweiz, Luxemburg, Grossbritannien und Finnland
1877 TĂŒrkei 
1878 Portugal, Persien, Argentinien
1871 Belgien, Niederlande, DĂ€nemark, Kanada
1879 Ägypten, Bulgarien, Island, und Mexiko
1872 Schweden, Norwegen, Russland, Ceylon
1873 USA, Frankreich, Serbien, RumÀnien, Spanien und Japan
1880 Brasilien, Neufundland
1881 Kolumbien
1874 Italien
1883 Peru
1875 Uruguay, Guatemala
1886 Kongo
1876 Griechenland
1888 Montenegro

Im internationalen Postverkehr wurde die Postkarte mit dem Berner Postvertrag ab 1. Juli 1875 zwischen 21 LĂ€ndern zugelassen und der Weltpostvertrag vom 1. Juni 1878 erweiterte den Geltungsbereich ĂŒber den grössten Teil der Erde. Einige LĂ€nder hatten hierfĂŒr besondere Weltpostkarten gedruckt.

Ab etwa 1896 setzte sich die Ansichtskarte im grossen Stil durch, nicht zuletzt durch die Nutzung neuerer Druckverfahren. Ab dieser Zeit wurde hauptsĂ€chlich das mehrfarbige Druckverfahren der Chromolithografie verwendet, zuvor waren Ansichtskarten fast immer einfarbig, oft in Sepiatönen gedruckt. Die Karten waren zu einem relativ geringen Preis erhĂ€ltlich und die Bilder ersparten das Schreiben lĂ€ngerer StĂ€dte- oder Landschafts-beschreibungen. In vielen Tabak- und SchreibwarenlĂ€den waren Ansichtskarten zu kaufen. Etwa ab 1900 kamen zunehmend Fotodruckverfahren und weitere modernere Druckverfahren zum Einsatz. Mit Wirkung zum 1. Oktober 1907 entfiel die Vorschrift, das Wort Postkarte in der jeweiligen Landessprache aufdrucken zu mĂŒssen. In allen IndustrielĂ€ndern wurde die Post in den StĂ€dten bis zum ersten Weltkrieg mindestens dreimal tĂ€glich zugestellt, in GrossstĂ€dten oft sogar noch bedeutend hĂ€ufiger. Es war also theoretisch möglich am selben Tag einen Termin per Postkarte zu vereinbaren. 1909 kamen in der Schweiz die ersten beiden Bildpostkarten anlĂ€sslich der Einweihung des Weltpostdenkmals in Bern in Umlauf. Im Jahre 1893 wurde die sogenannte „Gotthardpostkarte“ verausgabt, welche allerdings den Wertstempel auf der linken Seite hat, und somit nicht genau der Definition der Bildpostkarte entspricht. Ab 1923 erschienen in der Schweiz eine grosse Anzahl offizieller Bildpostkarten mit verschiedenen Motiven, 1925 folgte die EinfĂŒhrung in Deutschland und 1927 in Österreich. WĂ€hrend des ersten Weltkriegs, vor allem wĂ€hrend der Zeit des Nationalsozialismus und des zweiten Weltkriegs wurden Postkarten sowie Ansichtskarten fĂŒr Propagandazwecke „missbraucht“; sie können heute als historische Quellen dienen.


Kontroverse ĂŒber Karten mit Bildern

Durch die Öffnung der Grenzen zum Transport von Karten mit Bildern entstanden einige rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Ethik von Abbildungen. So konnte in einem Land die Abbildung von nackten Personen legal sein (Strandfotos oder klassische Kunst), wĂ€hrend im Ankunftsland oder auch im Transitland solche Darstellungen verboten waren. In diesem Falle wurden solche Karten nicht transportiert. So bannte das Ottomanische Reich im Jahre 1900 den Verkauf und Import von einigen Karten im Zusammenhang mit dem Propheten Mohammed. Trotzdem sind einige Karten durchgeschlĂŒpft, welche heute von Sammlern sehr gesucht sind (mit entsprechenden Stempeln).


Anhang

Wiedergabe des vollen Wortlauts der Denkschrift zur EinfĂŒhrung der Postkarte des Dr. Heinrich v. Stephan vom Jahre 1865. Quelle: Taschenbuch fĂŒr Briefmarken-Sammler – 1889, Verlag GebrĂŒder Senf, Leipzig. „Die Form der Briefe hat, wie viele andere menschliche Einrichtungen, im Laufe der Zeiten mancher Wandlung unterlegen. Im Altertum wurden die Wachstafeln, welche die Schrift enthielten, mit Ringen verbunden. Die Briefe waren so zu sagen ein Buch. Dann kam die Form der Rolle, welche noch bis in’s Mittelalter reicht. Diese machte wiederum der bequemeren Form des Faltens bez. Couverts Platz. Jene Hauptformen bildeten sich in allmĂ€liger Entwickelung und durch verschiedene Übergangsstufen aus. Das Material war dabei von Einfluss: - die Tafel, das Pergament, das Papier; in neuester Zeit sind Ver-suche gemacht, Briefbogen aus Eisen herzustellen. Das Material war aber fĂŒr die Form der Briefe nicht allein entscheidend: vielmehr wurde dieselbe auch durch achtbare BrĂ€uche, wie durch flĂŒchtige Moden, durch geschĂ€ftliche BedĂŒrfnisse, wie durch die Arten des Transports wesentlich mit bestimmt. Aus den verschiedenen Wandlungen ist die Form aber immer einfacher hervorgegangen. Dies dĂŒrfte zum Teil auch von der Form des Inhalts gelten, wie der Schwulst des Briefstils frĂŒherer Zeiten, die HĂ€ufung der Titulaturen u.s.w. beweist. „Die jetzige Briefform gewĂ€hrt fĂŒr eine erhebliche Anzahl von Mitteilungen nicht die ge-nĂŒgende Einfachheit und KĂŒrze. Die Einfachheit nicht, weil Auswahl und Falten des Briefbogens, Anwendung des Couverts, des Verschlusses, Aufkleben der Marke etc. UmstĂ€ndlichkeiten verursachen; und die KĂŒrze nicht, weil, wenn einmal ein förmlicher Brief geschrieben wird, die Konvenienz erheischt, sich nicht auf die nackte Mitteilung zu beschrĂ€nken. Die WeitlĂ€ufigkeiten treffen den Absender, wie den EmpfĂ€nger. In unsern Tagen hat das Telegramm bereits eine Gattung von Kurzbriefen geschaffen. Nicht selten telegraphiert man, um die UmstĂ€ndlichkeit des Schreibens und Anfertigung eines Briefes zu ersparen. Auch die Übersendung einer Visitenkarte etc. ersetzt fĂŒr verschiedene Ge-legenheiten einen förmlichen Brief. „Diese Betrachtungen lassen bei dem Postwesen eine Einrichtung etwa in nachstehender Art vielleicht als zeitgemĂ€ss erscheinen: „Bei allen Poststellen, sowie bei den BrieftrĂ€gern und LandbrieftrĂ€gern kann das Publikum Formulare zu offenen Mitteilungen erhalten. Ein solches Formular, „Postblatt“, hat die Dimensionen eines gewöhnlichen Briefcouverts grösserer Art und besteht aus steifem Papier, entspricht mithin nach Dimension und Beschaffenheit den in einigen deutschen Postbezirken neuerdings eingefĂŒhrten Postanweisungen. Die Vorderseite wĂŒrde oben als Überschrift die Benennung des Postbezirks und eine entsprechende Vignette (Landeswappen, etc.) tragen, links einen markierten Raum zum Abdruck des Post-Aufgabenstempels, rechts die Postfreimarke gleich in das Formular hinein-gestempelt. Dann ein Raum zur Adresse (wie bei den Postanweisungen) mit dem Vor-druck: „An“, „Bestimmungsort“ und „Wohnung des EmpfĂ€ngers“, sowie die vorgedruckte Notiz: „die RĂŒckseite kann zu schriftlichen Mitteilungen jeder Art benutzt werden“; die-selben können, gleichwie die Adresse, mit Tinte, Bleifeder, farbigem Stift etc. geschrieben sein; indess darf bei Verwendung von Bleistift, etc. der Deutlichkeit und Dauerhaftigkeit der SchriftzĂŒge, namentlich auf der Adresse, nicht Eintrag geschehen. Ein solches Post-blatt wird nun gratis durch die Post befördert, da der Portobetrag beim Kauf des 7 Formulars entrichtet worden ist. Dieser Portobetrag wĂŒrde möglichst niedrig festzustellen sein, etwa auf 1 Silbergroschen ohne Unterschied der Entfernung; fĂŒr das Formular wird nichts entrichtet. „Die Manipulation der PostblĂ€tter im technischen Postdienst wĂŒrde sich, wie die Er-fahrung bei den Postanweisungen bewiesen hat, wegen der gleichmĂ€ssigen Form, der klaren Adressen und der Markenfrankatur sehr zweckmĂ€ssig gestalten. Dem Publikum dĂŒrfte die Einrichtung, zumal wenn die anfĂ€ngliche Scheu vor offenen Mitteilungen bei nĂ€herer Einsicht von der Sache ĂŒberwunden sein wird, fĂŒr viele Angelegenheiten und VerhĂ€ltnisse willkommen sein. Wie umstĂ€ndlich ist es z.B. oft, auf Reisen unterwegs eine kurze briefliche Nachricht von der glĂŒcklichen Ankunft, von der Nachsendung eines ver-gessenen Gegenstandes etc. an die Angehörigen gelangen zu lassen; kĂŒnftig wird ein Postblatt aus dem Portefeuille gezogen, mit Bleistift im CoupĂ©, auf dem Perron ausgefĂŒllt, und in den nĂ€chsten Briefkasten oder Eisenbahn-Postwagen gesteckt. Hinsichtlich einer grossen Zahl von Bestellungen, Benachrichtigungen etc. wĂŒrde die Übermittlung „per Postblatt“ wahrscheinlich bald in die geschĂ€ftliche Usance, wie in den geselligen Gebrauch ĂŒbergehen.“

La Rippe, 28. Januar 2011 Albrik Wiederkehr

Referenz

  • von Albrik Wiederkehr, La Rippe


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