Doppelgenf

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Wie kam der 6 3/2 Block Doppelgenf ins Postmuseum?

6 3/2 Block Doppelgenf Bild 1961

Es war einmal ein Mann, der Mr. Albrecht hieß. Und dieser Mr. Albrecht hatte vor der Jahrhundertwende von irgend woher einen ungestempelten 63/2-Block der seltenen Doppelgenf erhalten — vielmehr von jemandem gekauft oder geerbt; denn das « Volk» wußte selbstverständlich schon damals, daß die Doppelgenf « une grande vedette» ist. Bewertete doch Yvert anno 1898 die Doppelgenf ungebraucht mit Fr. 1200.—, gleichviel wie die 100 Reis Dona Maria von Portugal, die heute aber nur noch mit Fr. 3500.— zu Buche steht, während die Doppelgenf — die wirklich « Goldene » — die 10 000er-Kataloggrenze schon längst erreicht hat. Doch zurück zu Mr. Albrecht, dem « prähistorischen » Besitzer des 6 3/2-Blockes Doppelgenf. Trotzdem ich im Verlaufe meiner bald sechzigjährigen Sammlertätigkeit tonnenweise philatelistische Literatur — gute und schlechte — «gekostet» habe, konnte ich über Mr. Albrecht keine Notiz aufstöbern. Sicherlich war er nicht Mitglied der Royal Philatelie Society, London; denn im « London Philatelist» erschien nie ein Nekrolog über ihn. Und trotzdem muß dieser Mr. Albrecht, der übrigens an den Briefmarken-Ausstellungen von 1890 London, 1893 Zürich oder 1896 Genf als Aussteller nicht vertreten war, den weltberühmten Genfer Block besessen haben. Lese ich doch in der « Schweizer Briefmarken-Zeitung » Nr. 2 / 1910: « Mr. Peckitt erwarb diese hervorragende Unika vor 15 Jahren von Mr. Albrecht und fand, unmittelbar nach dem Ankauf, einen Liebhaber in der Person des Mr. Avery ». Aber von wem hat Mr. Albrecht den Block vor 1895 erworben ? Die Lösung dieses Rätsels finden wir «vielleicht» in den Ausführungen des 1950 in Locarno verstorbenen, früher .n Genf ansässigen Briefmarkenhändlers Franz Duschek, der auf Seite 178 der « Schweizer Briefmarken-Zeitung» von 1931 unter «Souvenirs et anecdotes d'un vieux philateliste» schreibt: «Oü se trouve actuellement le Lions ä Geneve, il y avait autrefois une vieille maison oü habitait le lithographe Schmid qui imprimait en son temps les timbres cantonaux de Geneve. Apres la mort du lithographe an trouva dans le grenier de cette maison une certaine quantites d'anciens timbres de Geneve, dopt une feuille originale du Double-Geneve ... Cette trouvaille passa dans les mains d'un bijoutier qui habitait en face. Celui-ci vendit les Doubles de Geneve, decoupes ä volonte de la feuille ä raison de 125 francs la piece ...

».Lions ä Geneve, il y avait autrefois une vieille maison oü habitait le lithographe Schmid qui  
imprimait en son temps les timbres cantonaux de Geneve. Apres la mort du lithographe an trouva dans  
le grenier de cette maison une certaine quantites d'anciens timbres de Geneve, dopt une feuille 
originale du Double-Geneve ... Cette trouvaille passa dans les mains d'un bijoutier qui habitait en 
face. Celui-ci vendit les Doubles de Geneve, decoupes ä volonte de la feuille ä raison de 125 francs 
la piece ... ».passage des Lions ä Geneve, il y avait autrefois une vieille maison oü habitait le  
lithographe Schmid qui imprimait en son temps les timbres cantonaux de Geneve. Apres la mort du 
lithographe an trouva dans le grenier de cette maison une certaine quantites d'anciens timbres de 
Geneve, dopt une feuille originale du Double-Geneve ... Cette trouvaille passa dans les mains d'un 
bijoutier qui habitait en face. Celui-ci vendit les Doubles de Geneve, decoupes ä volonte de la 
feuille ä raison de 125 francs la piece ... ».

Charles-Alphonse Schmid, geboren 1805 in St-Aubin (Neuenburg), der Lithograph der Genfer Kantonalmarken, ist — nach den Forschungen von Dr. Georges Fulpius (t 1955) .m Jahre 1883 in Cannes gestorben. In der Annahme, daß der 63/2-Block aus dem, nach dem Tode von Ch. A. Schmid im Estrich gefundenen und durch den «gegenüber wohnenden» Bijoutier vom Ganzbogen abgetrennt und für 125 Franken pro Doppelgenf verkauft wurde, wäre der Block also zwischen 1883 bis 1894 von Mr. Albrecht erworben worden. Und wenn diese Annahme nicht stimmt, so hat Albrecht eben den Block von anderswoher zu einem mir unbekannten Preis und mir unbekannten Zeitpunkt erstanden. Sei es wie es wolle — jedenfalls wissen wir, daß der Londoner Briefmarkenhändler W. H. Peckitt um 1895 herum mit dem größten noch vorhandenen Doppelgenfblock — bitte nicht zu verwechseln mit dem 6er-Block aus der FerrariSammlung — gehandelt hat. Für welchen Preis Peckitt den 63/2-Block in den Besitz von Sir William B. Avery « überleitete », ist in der Literatur leider nicht festgehalten. Im Jahre 1906 wird der « block of six entire and three halves » erstmals öffentlich anläßlich der internationalen Briefmarken-Ausstellung in London gezeigt 1).

Zwei Jahre später stirbt Sir William 3. Avery. Seine phantastische Sammlung kauft wiederum der Händler W. H. Peckitt, und zwar um die damalige Rekordsumme von 24 500 £ (über 600 000 Franken!). Bereits 1909 wird die Sammlung detailliert, wobei Peckitt mit einer gediegenen, illustrierten Broschüre 2) die Avery-Kostbarkeiten einem weiten Philatelistenkreis anbietet. Auch der Genfer Block ist selbstverständlich darin abgebildet. Peckitt urteilt darüber:

« Certainly orte of the greatest treasures of the collection ». Als Käufer wird der steinreiche Kunsthändler Henry 1. Duveen 3), New York/London, bekannt, der, nebenbei bemerkt, auch den 15erBlock Basler Taube sein Eigen nannte. Und all diese einmaligen Schweizer Raritäten konnten die staunenden Philatelisten im Jahre 1910 an der internationalen Briefmarken-Ausstellung in Bern bewundern 4). Zwischen 1910 )bis 1920 geht der AlbrechtAvery-Duveen-Block direkt oder via Zwischenhändler in den Besitz des Amerikaners Alfred F. Lichtenstein 5) über, der den « Geneva block ... of fifteen of the double Geneve» im Jahre 1926 in New York6) und 1930 an der IPOSTA Berlin7) in weltoffener Weise ausstellte. Und wieder verstummen die Literaturquellen für einige Jahre. 1936 ertönen jedoch Posaunenstöße: Ernst Müller, Briefmarkenhändler in Basel, kaufte die Schweizer Raritäten — darunter zweifellos auch den 63/2-Block Doppelgenf — der Lichtenstein-Sammlungs), und zwar — — nach einer Notiz im « Postwertzeichen », Leipzig, Nr. 1 / 1937, Seite 29: « Wie verlautet, für 2 Millionen Schweizer Franken ... ». Was nachher mit «unserem» Block geschah, ist m. W. nirgends veröffentlicht worden. Doch der rote Faden wird weiter gesponnen! Ende Januar 1943 erhielt ich von einem amerikanischen Freund den vornehm gestalteten Katalog der Firma Edson 1, Eiheld, New York, die am 25. Februar 1943 durch den Auktionator Walter S. Scott im Collector Club in New York die «Rare Swiss Imperforate Stamps of the Cantonal, Transition Period and ,Strubel'» des Sammlers George E. Burghard versteigern läßt. Und damit ist die Spur des Unikums wieder gefunden; denn als Los Nr 3 wird der «7 1/2»-Block — ich ziehe 6 3/2 vor — folgendermaßen angeboten:

«... There are a few horizontal and vertical creases trough the block and three Small stains
(probably from age), which by no means can be considered as a detriment to its value.

This is the largest block of ,Double Geneva' known... ». Die Burghard-Sammlung brachte nach der Ergebnisliste total 35 438 $ ein, wobei Los Nr. 3 zum limitierten Preis von 6500 8 einem mir noch unbekannten Mann — «on the floor» —zugeschlagen wurde. Schade, daß diese Versteigerung nicht im Fernsehen übertragen wurde; denn ansonst könnte ich vielleicht eine Brücke schlagen — bis 1946. In diesem Jahr wurde nämlich der 63/2-Block, wohlbehütet von einer mehrköpfigen Schweizer PTT-Delegation, wieder einmal mehr übers « Große Wasser » zur New Yorker Ausstellung «begleitet». Ing. Edwin Müller, der bekannte Briefmarkenhändler und wirklich große Philatelist in New York, äußerte sich in der « Postmarke », Wien, Nr. 424-425 / 1947, Seite 100, hierüber: « ... die ganz außerordentliche Sammlung Schweizermarken des Schweizer Postmuseums, eine Sammlung, die eine Menge bekannter Unika enthält und vorher nie im Ausland gezeigt worden war. Die Schweizer Postverwaltung hat den Großteil dieser Sammlung, wie es heißt, erst in den letzten Jahren durch Vermittlung eines Schweizer Händlers im Tauschwege erworben ... ». Dann hört, sieht und liest man wieder nichts mehr von «unserem» Genfer Block. Vielleicht hat ihm die wohlbegründete Interpellation im schweizerischen Nationalrat über die allzu «großzügige» Reiselust seiner Begleiter den « Atem genommen ». 1) Katalog Internationale Briefmarken-Ausstellung IMABA, Basel 1948, S. 45. Nachtrag 1, September 1959: Auf Seite 1 stellte ich fest, daß ein gewisser Albrecht vor dem Jahre 1895 den größten, heute im Postmuseum befindlichen Doppelgenf-Block sein Eigen nannte. Wer war dieser Mr. Albrecht ? Herr F. Mumenthaler, Grafenort, ist ihm auf den Sprung gekommen und hat mir am 26. Mai 1958 und 5. Mai 1959 sehr wertvolle Auskünfte erteilt. Darnach dürfte unser « Doppelgenf-Albrecht» mit dem New Yorker Briefmarkenhändler R. F. Albrecht identisch sein, der nach « Illustriertem BriefMarken-Journal» (Gebr. Senf, Leipzig) Nr. 16 vom 17. August 1895 anläßlich der im Jahre 1874 erfolgten Gründung des Fachblattes dem damaligen Redaktor Dr. Alfred Moschkau als Mitarbeiter zur Seite stand. Das erwähnte Doch im Jahre 1948 begegnen wir dem Block wieder an der IMABA in Basel — « exposee par le Musee postal suisse » 9). Eigentlich wäre hier meine langjährige Sherlok-Holmes-Arbeit beendigt — wenn ein Autor im «Bulletin du Club philatelique et aeropostal Genbve» Nr. 92, Oktober 1948, unter « Reflexions et Commentaires stir YIMABA» nicht folgendes Tohuwabohu geschaffen hätte: «... admirer un autre bloc fameux, celui des doubles de Geneve, qui a ete acquis par les Postes federales ä une vente aux encheres de Harmer ä New York. Ce bloc, qui avait ete trouve ä Geneve dans de vieilles archives, est reste pendant longtemps propriete de Ferrari. Puffs il avait ete adjuge, en 1922, ä la vente aux encheres de Gilbert, ä Paris, pour la comme de 52000 francs suisse plus les frais ... ». Nein: es stimmt nicht, daß der 63/2-Block bei Harmer, New York, unter den Hammer kam; hingegen muß es zutreffen, daß der Block von der schweizerischen PTT — direkt oder via Mr. « X. Y.» zu einem noch auf irgendeine Weise feststellbaren Preis — «erstanden» wurde. Der zweite und dritte Satz der obigen Genfer Ausführungen sind aber dazu angetan, unheilvolle Unklarheiten zu schaffen; denn hier handelt es sich nicht um den 63/2-Block, sondern um den Ferrari-6er-Block, dessen «Geschichte» ich später festhalten werde. Der 63/2-Block der Doppelgenf aber, « ruht » nun im Schweizer Postmuseum in Bern sein bewegtes Leben: Genfer Postverwaltung - ? -Albrecht - Peckitt - Avery - Peckitt - Duveen - Lichtenstein - Müller - Burghard aus. Fachblatt enthält noch weitere Angaben über Albrecht, und zwar: Nr. 16 vom 15. August 1896: ... Unter den Redner am VIII. Deutschen Philatelisten-Tag in Köln befand sich auch Albrecht - New York. Nr. 8/1908: ... In England hat man Auktionsergebnisse zusammengestellt ... auch Auktionspreise von R. F. Albrecht in New York. Welcher amerikanische Philatelist kann nun weitere Angaben über Albrecht machen? Vielleicht gelingt es auch festzustellen, für welchen Preis Albrecht um 1895 herum den Doppelgenf-Block an W. H. Peckitt verkauft hat ?


Referenzen:

1. The London Philatelist, Volume XV, Nr. 173, S. 112.	IPOSTA, Berlin 1930; Objekt Nr. 39.
W. H. Picken, The Avery Collection, London 1909, 8°, 59 5. s) «Die Basler Taube», Basel, Nr.  
3/1947,  S. 38.
3. 1856 in Meppel (Holland), t 1919 in New York.
4. Offizieller Katalog und Festprogramm der Internationalen Postwertzeichen-Ausstellung Bern 1910;  
   Objekt Nr. 4, S. 16.
5. 1876 in Brooklyn, t 1947 in New York.
6. Catalogue International Philatelie Exhibition New York; Objekt Nr. 119, S. 113.
Katalog Internationale Postwertzeichen-Ausstellung